Station: [52] Kathedralen aus Bambus und Palmblatt


Bis zu 25 m hoch erhoben sich die Giebel der Zeremonialhäuser der Abelam über die Siedlungen.

Wir sind auf Neu-Guinea, mit seiner riesigen kulturellen Vielfalt und seinen mehr als 800 Sprachen.

Aus ihrer Höhe blickten die farbenprächtigen, großflächigen Gesichter auf der Giebelwand auf den zentralen Platz und die niedrigen Wohnhäuser herunter. Sie verkörperten große mythische Vorfahren der Dorfbewohner. Der Platz im Schatten der nach vorne geneigten Giebelwand war ein bevorzugter Aufenthaltsort der Männer.

Im Innern des Hauses befanden sich geheime Schnitzereien und Bildnisse der Ahnen und Yamsgeister. Diese Mächte sicherten im religiösen Erleben der Abelam die Fruchtbarkeit der Gärten und vor allem den rituellen Anbau von Yamsknollen, der den Männern vorbehalten war. Für Frauen war das Zeremonialhaus tabu. Es war der Ort, an dem die Jungen in das religiöse Leben eingeführt wurden.

Diese Initiation erfolgte schrittweise in bis zu acht Stufen. Sie begann im Kindesalter und konnte sich über die nächsten 20 bis 30 Jahre hinwegziehen. Mit einer Initiation verbunden waren jeweils kostspielige Feierlichkeiten.

Die Riten sollten für die Novizen zu einem intensiven Erlebnis werden: Durch einen niedrigen tunnelartigen Eingang krochen die Jungen ins Zeremonialhaus. Unvermittelt sahen sie sich grell bemalten Figuren gegenüber, die im flackernden Fackellicht lebendig zu sein und sich zu bewegen schienen. Aus nicht sichtbaren Verstecken hörten sie Flöten, Schwirrhölzer und Trommeln – die Stimmen der dargestellten Geistwesen.

Jede der acht Initiationen hatte ihre eigene Dramaturgie. Erst nach mehreren schon durchlebten Initiationen durften die Novizen in einer spektakulären Inszenierung die heiligsten Figuren zum ersten Mal anschauen. Diese überlebensgroßen Figuren, eine Frau und ein Mann, stellten die Verkörperung der Claneltern dar.

Nachdem sie in dieses Geheimnis eingeführt waren, galten sie als vollwertige Männer und durften eine aktive Rolle im religiösen und sozialen Leben übernehmen. Dieses war durch den Yamskult bestimmt.

Die Lebensdauer eines solchen Hauses beträgt im Tropenklima ungefähr 20 Jahre. Die Giebelwand unseres Hauses wurde um 1975 abgebaut,

zerschnitten und nach Europa transportiert, hier restauriert und im Museum ausgestellt.