Station: [59] Nkisi Nkondi


Das über und über mit Nägeln durchbohrte Männchen steht fest geerdet und trat einst mit dem Speer in der erhobenen Hand dem Bösen entgegen. Vor dem Bauch trägt es ein rechteckiges Kästchen. Es ist ein Nkisi Nkondi.

„Nkisi ist einfach das, was man benutzt, um einem kranken Menschen zu helfen. Blätter, Medizin. Nkisi schützt den Menschen vor Krankheit. Nkisi verjagt die Krankheit. Nkisi ist der Platz, an dem eine Seele Zuflucht sucht, um am Leben zu bleiben, um weiteratmen zu können. Darum verehren die Menschen Nkisi.“

So beschrieb Nsemi Isaki im Jahr 1910 einem Missionar die Aufgabe eines Nkisi – einer sogenannten Kraftfigur.

Der Nganga – ein Ritualexperte, Arzt, Pflanzenkundiger und Therapeut – setzte die Figur unter anderem zur Heilung von Krankheiten ein, wenn diese nicht natürlichen Ursprungs waren. Und das sind Krankheiten fast nie. Fast immer sind böse Mächte im Spiel. 

Die Behandlung trug Züge einer Psychotherapie. Und das kleine, mit einem Spiegel verschlossene Kästchen vor dem Bauch der Figur enthielt die Medizin: Kräuter, Harze oder andere Essenzen? Wir wissen es nicht, denn das Kästchen wurde nie geöffnet.

Die Figur zeigt beispielhaft die Verbindungen zwischen Europa und Afrika. Schon sehr früh, im Jahr 1483, erreichten portugiesische Seefahrer die Mündung des Flusses Kongo und trafen auf ein blühendes Königreich. Es entstand eine afroportugiesische Kultur mit christlicher Färbung. So erinnert der Nkisi Nkondi stark an den Heiligen Sebastian, durchbohrt von Pfeilen. Auch der war zuständig für den Schutz vor einer Krankheit – vor der Pest. Und das Kästchen vor dem Bauch des Nkisi erinnert an die Behältnisse, die Reliquien von katholischen Heiligen bewahrten.

Der Spiegel vor seinem Medizinkästchen wiederum dürfte aus Europa nach Afrika exportiert worden sein – vielleicht sogar aus unserer Nachbarstadt Fürth, deren Spiegelfabriken ihre Produkte in alle Welt verkauften?

1912 schenkte ein Kaufmann aus dem mittelfränkischen Spalt die Figur der Naturhistorischen Gesellschaft. Sie stammt aus Cabinda, heute eine Exklave des afrikanischen Staates Angola im südwestlichen Afrika. Im Einlaufbuch der Naturhistorischen Gesellschaft ist sie als „Fetisch“ bezeichnet, ein Wort aus dem Kolonialwörterbuch. Heute finden Sie Figuren wie diese auf dem Kunstmarkt und sogar auf Ebay.