Station: [12] Navigationsschulen auf Föhr


F: Trigonometrie, Bestimmung des Schiffkurses, der Länge und Breite, Logarithmen und Winkelfunktionen – über Generationen genoss die Föhrer Jugend eine außergewöhnlich gute Ausbildung in all den Disziplinen, die für das Seemannshandwerk wichtig waren. Zeugen davon sind Rechenhandschriften junger Föhrer Seefahrer, in denen sie komplizierte Rechenaufgaben lösten. Sie können sie in der Pultvitrine sehen.

M: Ricardus Petri, ein Pastor in Süderende, hatte Anfang des 17. Jahrhunderts die entscheidende Idee. Er bot den Föhrer Seeleuten, die im Winter ohnehin zu Hause waren, kostenlosen Navigationsunterricht. Der Unterricht fand in den Stuben älterer Kapitäne statt, wie ein kleines Gemälde von Julius Stockfleth in der hohen Mittelvitrine illustriert.

Die gute Ausbildung erhöhte ihre Berufschancen und dementsprechend fanden sich im gesamten 17. und 18. Jahrhundert überproportional viele Föhrer unter den Kommandeuren und Steuermännern der Walfangschiffe.

F: Die einzige Bedingung für diese kostenlose Ausbildung: Die so geförderten jungen Männer sollten – wenn sie selbst erfahrene Seeleute waren – der Jugend ihrerseits unentgeltlich Unterricht erteilen: eine Win-Win-Situation.

M: Einige Föhrer Jungen, die mitunter schon mit 10 oder 11 Jahren zur See fuhren, konnten dank ihrer nautischen Kenntnisse schon mit Mitte 20 zum Kommandeur aufgestiegen sein. Die höheren Ränge verdienten anteilig am Fang – ein Grund mehr, um in der Seemannsschule gut aufzupassen und seine Rechenhandschriften ordentlich zu führen.

F: Im 19 Jahrhundert nimmt der Walfang mehr und mehr ab. Viele Föhrer Seeleute satteln um und verdingen sich in der Handelsschifffahrt. Doch damit ändert sich auch der jahreszeitliche Rhythmus: Die Männer verbringen den Winter nicht mehr unbedingt auf der Insel, mitunter sind sie mehrere Jahre auf allen Weltmeeren unterwegs. Da bleibt kaum noch Zeit für den Navigationsunterricht.

M: Als Föhr im Jahr 1867 preußisch wird, bedeutet das das Ende der privaten Navigationsschulen auf Föhr. Die Heranwachsenden müssen fortan die deutlich teureren staatlichen Schulen auf dem Festland besuchen, deren Schulgeld sich viele Familien nicht leisten können. Viele Föhrer wandern daraufhin nach Amerika aus oder wenden sich hauptberuflich der Landwirtschaft zu.

Fotos: © Dr.-Carl-Häberlin-Friesen-Museum