Station: [213] Totenrituale


Hier haben wir zwei Bestattungen für Sie rekonstruiert: das Grab einer schwangeren Frau mit Fötus und die Niederlegung eines Neugeborenen. Sie stammen beide aus der mittleren Jungsteinzeit und sind Ausdruck der Totenrituale dieser Epoche. Zugleich zeigen sie die harten Lebensbedingungen, die zu einer hohen Säuglingssterblichkeit, frühen Schwangerschaften und einer Lebenserwartung von nur etwa 30 Jahren führten.

Die 18jährige Frau war im neunten Monat schwanger. Sie starb kurz vor der Geburt ihres Kindes. Im Beckenbereich können Sie die grazilen Knochen des Fötus sehen. Die Frau wurde in Schlafstellung beigesetzt und mit Tonlöffel, Henkelgefäß und Amphore für den Weg ins Jenseits ausgestattet. Das Grab gehörte zu einem kleinen Friedhof aus der Zeit von 3.800 bis 3.500 vor Christus südlich von Leipzig.

Bei der Säuglingsbestattung können wir nur vermuten: Handelt es sich um ein Grab, eine Opferung oder eher eine Entsorgung des kleinen Leichnams? Denn das Skelett des Neugeborenen lag in einer Siedlungsgrube in unmittelbarer Nachbarschaft mit Tierknochen, Gefäßbruchstücken, Stein- und Knochengeräten. Auffällig sind mehrere Schildkrötenpanzer und Hundeschädel. Über dem Skelett fanden sich verschiedene Schichten von Muschelschalen. Der Säugling wurde um 3.300 vor Christus in der Grube abgelegt.

Tatsächlich war der Umgang mit den Toten in der mittleren Jungsteinzeit für unser Empfinden eher befremdlich. Nur ein Teil der Bevölkerung wurde regulär bestattet, entweder in flachen Erdgräbern auf kleinen Friedhöfen oder in bis zu 10 Meter langen trapezförmigen Anlagen. Diese waren von kleinen Gräben und Palisaden umfriedet und mit einem Hügel überwölbt. Nicht selten bildeten solche Grabmonumente ganze Gräberstraßen.

Viele andere menschliche Skelette finden sich in Siedlungs- oder Abfallgruben wieder, häufig in verdrehten Lagen oder nur in Teilen. Manche Knochen zeigen Tierverbiss. Wurden die Leichnahme einfach liegen gelassen und die Knochen erst nach der Verwesung entsorgt? Oder war rituelle Gewalt am Werk, die zum Abtrennen von Körperteilen führte?