Station: [7] Der Friedhof


Schiefe Grabkreuze unter einer hohen Platane; Eiben, Ulmen, Lebensbaum und der Stumpf einer mächtigen Linde, die der letzte Sturm umgestoßen hat – der alte Stiftsfriedhof hat eine ganz besondere Atmosphäre! Er ist am Ende des 18. Jahrhunderts angelegt worden. Zuvor waren Nonnen und Stiftsdamen nach alter Tradition in der Stiftskirche oder im Kreuzgang der Abtei bestattet worden. Doch mit der beginnenden Romantik werden die Gräber hinaus in die Natur verlegt.

Der Friedhof diente den Stiftsdamen 200 Jahre lang als Begräbnisstätte. Als eine der letzten wurde 1996 Ingeborg-Maria Freiin von Werthern hier beerdigt. Als Pastorin und Äbtissin von Heiligengrabe hat sie die gesamte DDR-Zeit hindurch das geistliche Leben im Klosterstift aufrechterhalten. Auch einige Diakonissen des Friedenshorts, die 1946 nach Heiligengrabe kamen, sind hier bestattet. 

Andere Gräber erzählen weitaus ältere Geschichten. Schauen Sie sich um:

Das wohl auffälligste Grabmonument wurde der 1802 verstorbenen Äbtissin Maria Magdalena Rosina von Quitzow gesetzt. Es zeigt eine junge Frau, die sich trauernd auf eine Stele mit einer stilisierten Urne stützt. Zu ihren Füßen ein kleiner Hund – ein Sinnbild der Treue. Das Grabmal stammt von dem Berliner Bildhauer Heinrich Bettkober, einem Schüler Johann Gottfried Schadows. Bettkober arbeitete auch am Entwurf der berühmten Quadriga auf dem Brandenburger Tor mit. Hier war also ein Großer am Werk! Und auch die hier bestattete Äbtissin war nicht unbedeutend: Ihr 1752 gemaltes, anmutiges Porträt können Sie heute in unserem Museum im Ostflügel der Abtei bewundern.

Doch nicht nur Äbtissinnen, auch einfache Stiftsdamen fanden auf dem Friedhof ihre letzte Ruhe. So beispielsweise die 1770 verstorbene Auguste Friederike Henriette von Geusau. Ihr Grabmal besteht aus einer imposanten Urne mit Girlandenschmuck, die auf einem schlichten Postament thront. 

Auguste von Geusau, aus einem alten thüringischen Geschlecht stammend, war außerordentlich gebildet. Sie korrespondierte mit Goethe und dem Schweizer Philosophen Lavater. Mit nachweislich 64 Büchern gilt sie als eine der großzügigsten Spenderinnen beim Aufbau der Heiligengraber Stiftsbibliothek. Und diese Bibliothek hat es in sich! Sie umfasst 1.200 Bände, und sogar der preußische König Friedrich II. hat mit seinen eigenen Schriften zu ihrem Aufbau beigetragen!

Kunst und Bildung wurden im Damenstift großgeschrieben. In kleinen Zirkeln sollen die Damen ausgewählte Werke studiert haben. Selbst zahlreiche Opernlibretti finden sich in der Bibliothek, denn hin und wieder gönnten sie sich offenbar auch einen kleinen Ausflug an den Berliner Hof und in die Oper! Solche Eskapaden – ohne männliche Begleitung! – waren ihnen allerdings nur aufgrund ihres Standes gestattet – ansonsten ein Unding für unverheiratete Frauen!

Abbildung 1 © Dietmar Rabich
Abbildung 2 © Hagen Immel
Abbildung 3 © Sarah Romeyke