Station: [105] Markt 4: Unkel Hers‘


M: Gleich neben dem Rathaus wohnte der Ratsherr August Friedrich Herse, der als „Unkel Hers‘“ in Fritz Reuters Roman „Ut de Franzosentid“ für Unruhe sorgt.

F: August Friedrich Herse, 35 Jahre älter als Fritz Reuter, gehörte zu den Honoratioren der Stadt. Aus dem benachbarten Dorf Ivenack gebürtig, absolvierte er als junger Mann eine pharmazeutische Lehre und führte dann 16 Jahre lang die Apotheke von Stavenhagen. 1814 gab er sie an Carl Christoph Grischow weiter, der ebenfalls aus Ivenack stammte. Zwischenzeitlich hatte Herse nämlich in der Politik Karriere gemacht: 1810 ließ er sich zum Ratsherren wählen, ab 1817 amtierte er als Notar.

Und das repräsentative Haus am Marktplatz war seit 1816 in Herses Besitz.

Unkel Hers‘ war zwar nicht Fritz Reuters leiblicher Onkel. Wie sehr er die junge Seele aber prägte, das zeigt Reuters liebevolles Charakterbild, mit dem er seine Erzählung „Meine Vaterstadt Stavenhagen“ schließt:

M (Zitat): „Die Zuthunlichkeit von Hunden und Kindern soll das beste Thermometer für die Wärme des Gemüthes einer Person abgeben, und wenn in diesem Spruche Wahrheit liegt, so war mein Onkel Herse der gemüthvollste Mensch von der Welt. […] er war unser voluminöses Conversations-Lexikon, welches wir beliebig aufschlugen, und worin wir blätterten, wenn es uns einfiel. Onkel Herse wusste Alles, konnte Alles; tausend kleine praktische Handgriffe sahen wir seinen hübschen, fetten Händen ab, und immer heiter und unverdrossen lehrte er uns bald ein Gewehr laden und es abschießen, bald Klammern schneiden und Stöcke beizen, bald Blumen und Bäume pflanzen, Weinstöcke beschneiden und bald Mäuse und Ratten fangen. Er lehrte uns die schönsten Kinderspiele, […] er führte uns in die Felder und wusste für jedes Unkraut einen hübschen lateinischen Namen …“.

Fotos: © Fritz-Reuter-Literaturmuseum