Station: [109] Alte Schulstraße 3: Gasthaus Allmer


M: So unterhaltsam und harmlos seine Werke auf den ersten Blick auch klingen mögen – Reuter war ein politischer Mensch. Als Student hatte er sich einer politisch progressiven Verbindung angeschlossen und dafür mit jahrelanger Festungshaft bezahlt.

F: Im Zuge der Bürgerlichen Revolution von 1848 entstand in Stavenhagen ein demokratisch gesinnter Reformverein, dem sich Reuter sofort anschloss. Wie viele seiner Zeitgenossen hoffte er auf die Abschaffung des Ständestaates, der zutiefst ungerechten Heimatgesetzgebung und der autoritären Schulverhältnisse. Er wurde, wie er selbstironisch bemerkte, „ein arger Politiker“, debattierte, diskutierte und kämpfte dafür, die Welt ein kleines bisschen besser zu machen.

Einer der Treffpunkte des Reformvereins war das Gasthaus Allmer oder „Grammelins Wirtschaft“, das sich an dieser Stelle befand.

Wie es sich dort wohl angehört haben mag? Diese Szene aus Fritz Reuters Roman „Ut mine Stromtid“ soll sich genau hier abgespielt haben. Inspektor Bräsig (der Reuter in vielen Dingen ähnelt) hat eine Wut auf den ausbeuterischen Gutsbesitzer Samuel Pomuchelskopp. Er erhebt sich, um eine Rede zu halten…

M (Zitat): „Unkel Bräsig klemmte sich in die Rednertonne. ‚Mitbürger!‘ begann er, ‚wo lang is das her, dass wir hier in Grammelinen seinen sonstigen Danzlokal Freiheit, Gleichheit un Brüderlichkeit besworen haben? […] von die Brüderlichkeit will ich reden. – Mitbürger! Ich frage Ihnen, is das Brüderlichkeit, wenn einer seinen Mitbruder die Stiebeln ausziehen lassen will? Und einer seinen Mitmenschen as ne Kreih in den Snee will rumhüppen lassen oddr, wenn der Snee weg is, in der Morast? … Ich frage Sie, ob das ne Brüderlichkeit is? Und sage: der Herr Zamwel Pomuchelskopp is solche Brüderlichkeit. Und weiter wollte ich nichts nich sagen.‘ Bräsig stieg von der Rednertribüne herab und schnaubte sich die Nase so gewaltig, als müsse er für sich selber auf seine Rede hin einen Tusch ausbringen.“