Station: [124] Malchiner Str. 33: Der Gesundbrunnen


F: Fast wäre Stavenhagen ein eleganter Kurort geworden! Und zwar genau hier, an dieser Stelle. Hier stand die Gastwirtschaft des Friedrich Deffge mit einem „Sot“, einem Brunnen, im Hof.

Und hier wohnte auch Lehrer Katz, der irgendwann im Jahr 1818 eine erstaunliche Entdeckung machte. Fritz Reuter berichtet:

M (Zitat): „Die Sache war diese. – Ein jüdischer Lehrer, Namens Katz, hatte eines Tages das Unglück, in der Stavenhager Pferdekoppel in einen Graben zu fallen […] Er nimmt sich von dem Wasser mit, geht nach Hause und lässt seinen Wirth, den Gastwirth Deffge, das Wasser kosten. Der speiet es aus und ruft: „Pfui, Deuwel! Grad’ as ful’ Eier! Grad’ so, as dat Water hir hinnen in minen ollen Sot!“ – Der Vergleich wird gemacht – die beiden Wässer sind ganz gleich abscheulich in Geschmack und Geruch. – Katz geht mit seinem Funde zum Chemiker Doctor Grischow; derselbe untersucht das Wasser und findet einen ziemlichen Schwefeleisengehalt. – Die Entdeckung war gemacht, und der unbedeutende, jüdische Schullehrer Katz war der Wohlthäter Stavenhagens, Mecklenburgs und der übrigen Welt. […] Und die Stavenhäger gingen zu Deffge, tranken von seinem Wasser und setzten einige Kümmel darauf, um den abscheulichen Geschmack zu vertreiben. – Deffge’s Reichthum fing schon an. – Alles hatte Vertrauen zu dem Wasser, denn es schmeckte gar zu abscheulich; es wurde getrunken, und es wurde darin gebadet. – Aber Deffge wurde kein reicher Mann, ein Umstand störte die glänzende Aussicht. Der Mann gab sich unglücklicherweise dazu her, als Empfehlung für Fremde und Eingeborene von seinem eigenen Gesundheitswasser zu trinken, und da er des schlechten Nachgeschmacks wegen stets ein paar Kümmel darauf setzen musste, so überwog endlich der Schaden den Nutzen, er starb an seinem Gesundbrunnen. Nun hätte die Witwe das Gesundheitsgeschäft noch fortsetzen können; aber es hatte sich herausgestellt, dass die Goldberger Quelle 0,005 Prozent stärker sei, und das brach Stavenhagen den Hals. Dieses 5/1000 Prozentchen hat die Stavenhäger Hoffnungen vernichtet; die Gichtbrüchigen kamen nicht mehr, und wenn jetzt ein Fremder nach den Gesundbrunnen fragt, schüttelt das nachgeborne Geschlecht den Kopf, als hätte er nach kalifornischen Goldgruben gefragt.“

Fotos: © Fritz-Reuter-Literaturmuseum