Station: [14] Sozialkritische Dichtung: „Kein Hüsung“ und „Urgeschichte Mecklenburgs“


M (Zitat): „Die Habsucht der Privilegierten durfte fortfahren, mit denen, die […] fast rechtlos waren, willkürlich umzuspringen. […] So blieb es denn beim ‚Abschlachten der Bauern‘, wie man es brutaler Weise nannte, und so sind sie denn bis in unsere Zeiten herab größtenteils abgeschlachtet worden.“

F: Mit diesen Worten hatte Reuters Freund Ernst Boll die Situation der rechtlosen Bauern und Tagelöhner in Mecklenburg resümiert. Reuter schafft das literarische Werk dazu: Die Verserzählung „Kein Hüsung“ prangert die Willkür und Rückständigkeit der mecklenburgischen Heimatgesetzgebung an, die dem Gutsbesitzer die nahezu vollkommene Entscheidungsgewalt über Wohl und Weh seiner Tagelöhner zugesteht.

M: „Kein Hüsung“ erzählt die Geschichte des Tagelöhnerpaars Johann und Marie, dem der Gutsbesitzer Wohnung und Niederlassungsrecht verweigert und damit auch das Recht zu heiraten. Im Affekt erschlägt Johann den Gutsbesitzer und muss nach Amerika fliehen. Marie bleibt zurück, bringt das uneheliche Kind zur Welt und stirbt später im Wahnsinn. Als der Sohn zehn Jahre alt ist, holt Johann ihn zu sich nach Amerika, damit auch er in Freiheit leben kann.

F: Auch wenn der Stoff hart und das Werk nicht ganz einfach zu lesen ist: „Kein Hüsung“ ist eine der beeindruckendsten Schilderungen der feudalen Zustände im Mecklenburg des 19. Jahrhunderts. Es erscheint 1857 in Greifswald. Doch das Thema lässt Reuter nicht los. Wenig später beginnt er die „Urgeschicht von Meckelnborg“ – eine beißende Satire auf das rückständige Mecklenburg.

M (Zitat): „Wir Deutschen haben bisher keine politische Satire.“

F: Das will er ändern. Doch wo soll er anfangen in der allgegenwärtigen Realsatire?

M (Zitat): „Ein Bruchstück meiner Urgeschichte hätte ich Ihnen, um Ihr Urteil zu erfahren, gerne beigelegt, wenn ich nicht gerade in ungeheurer Heiterkeit daran arbeite. Das Buch wird nur sehr langsam […] fertig werden […], da ja noch […] tagtäglich wunderschöne Staatsalbereien bei uns passieren.“

F: Über Jahre arbeitet Reuter an der Urgeschicht‘, legt sie 1865 aber schließlich beiseite. Das Werk wird erst postum veröffentlicht werden.

Foto: © museum.de