Station: [6] Chorherrenportal mit Gänsepredigt


M: Vor dem Portal zur Kirche findet sich rechts eine hölzerne Tür. Von hier gelangte man direkt in den Schlafsaal der Chorherren im Obergeschoss, das sogenannte Dormitorium. Sie konnten also schnell und direkt von ihrer Schlafstätte in die Kirche kommen. An der rechten Säule des Portals zur Kirche selbst findet sich ein interessanter Hinweis auf das religiöse Denken der Chorherren. Hier werden sie ermahnt, sich bei der Predigt streng an das Wort Gottes zu halten, wie es in der Bibel geschrieben steht. In den Stein gemeißelt ist ein Fuchs mit scharfen Zähnen und grimmigem Gesichtsausdruck. Er hat sich als Mönch mit Kapuze und Umhang verkleidet und predigt nun zu einer Schar Gänse. Diese scheinen nicht zu ahnen, dass er nur darauf aus ist, sie zu fressen.

F: Heute stellen wir uns das Mittelalter oft als eine finstere Zeit vor, in der die Menschen kritiklos und unmündig die Botschaften der Kirche zu übernehmen hatten. Und so ist man vielleicht erstaunt, am Zugang zur Kirche eine Darstellung zu finden, die einen zur Prüfung falscher Botschaften auffordert. Natürlich war damit keine Kritik an der christlichen Botschaft an sich gemeint. Die Darstellung richtete sich vielmehr gegen falsche Propheten, die den Namen Christi im Munde führten, um damit ihre eigenen Interessen zu verfolgen. Aus einer solchen Darstellung spricht der Geist der Klosterreform: Die Prämonstratenser waren angetreten, das Christentum wieder auf seinen moralischen, nach dem Guten strebenden Kern zurückzuführen und falsche Propheten in die Schranken zu weisen.  

Foto: © Stiftung Kloster Jerichow