Station: [33] Mosaik


Das unbestrittene Glanzstück der Ausgrabungen – das Mosaik – hat einen Durchmesser von 3 Meter 40 und ist fast 900 Jahre alt.

Leider wurde der Mittelteil in breiter Schneise zerstört. Stehengeblieben sind nur die Randpartien zwischen zwei Schriftbändern. Sie erzählen die biblische Geschichte vom ersten Brudermord.

Links erkennt man über dem Ackerbauern Kain mit einem Ährenbündel die untere Hälfte des Hirten Abel. Weil Gott Abels Tieropfer annahm und Kains Feldfrüchte zurückwies, erschlägt rechts der eifersüchtige Kain seinen Bruder. Mit großer Kunstfertigkeit sind Kain mit dem zornig vorgeschobenen Kinn und der ergeben zusammensinkende Abel in den Randstreifen eingepasst.

Der äußere Schriftring ist gut rekonstruierbar. Er lautet:

MVNERA ABEL EXTENDIT         DEVS [ACCIPIT ILLA]  

HIC IRATVS CHAIN   OC[CIDIT FRATREM IN AGRO]

Abel bringt seine Gaben dar, Gott nimmt sie an. Kain, erzürnt darüber, tötet den Bruder auf dem Feld.

Das innere Schriftband ist weitgehend zerstört und die Hauptfläche des Mosaiks fehlt ganz. Was man links noch lesen kann ...

... LOCVS  VOCI  N[ost]RE  IN  [C]ELO  –  "ein Ort für unsere Stimme im Himmel" ...

... beschreibt nicht das zerstörte Mittelmotiv. Es sind Worte aus dem Opfergebet der Abendmesse, die das zweitägige Laurentiusfest vom neunten und zehnten August eröffnet: "Unser Gebet ist rein, und daher bitten wir, dass unsere Stimme gehört werde im Himmel"

Das Mosaik wurde bald nach seiner Entstehung wieder abgedeckt, der Boden darüber 1 Meter 20 hoch aufgeschüttet. Im Neubau des nun errichteten romanischen Kirchenschiffes stand schräg über dem Mosaik aber wieder ein Laurentiusaltar.

Das Opfer des Abel und das Opfergebet aus der Laurentiusmesse bilden eine auffallende Kombination. Sie taucht im Mittelalter allein bei dem monastischen Theologen Rupert von Deutz auf. Er bezeichnet den auf einem glühenden Rost hingerichteten römischen Märtyrer Laurentius als zweiten Abel, als eine Steigerung: Abel starb wegen eines Brandopfers, Laurentius aber als Brandopfer.

Wenn die Bild-Text-Kombination auf dem Mosaik von Rupert von Deutz angeregt wurde, entstand das Mosaik in den späten 1120er Jahren. In Schuttern ließ dessen Klosterherr, der heilige Bischof Otto von Bamberg, damals die Hirsauer Reform einführen. Vorbildkonvent war das ebenfalls bambergische Kloster Prüfening in Regensburg, wo man die Überlegungen Ruperts begeistert diskutierte und ebenfalls ins Bild setzte.

 Neubau des romanischen Kirchenschiffes ab 1155 hat nach diesem Deutungsansatz schon nach rund 25 Jahren das 1128/29 entstandene Mosaik wieder überdeckt. Der Ausgräber Karl List hat das Mosaik viel früher datiert, in die Zeit Kaiser Heinrichs des Zweiten um 1016. Die Konzepteure des Klostermuseums setzen es wegen der Buchstabenformen und ihrer Baugeschichte der romanischen Kirche vor 1120 an.

Unabhängig vom genauen Entstehungsjahr ist das Schutterer Mosaik das älteste erhaltene figürliche Mosaik im deutschsprachigen Raum und, auch im Vergleich mit den romanischen Mosaiken in Frankreich und Italien, eines der schönsten in ganz Europa.

Alle Abbildungen: © Historischer Verein Schuttern 603 e.V. / Gemeinde Friesenheim