Station: [19] Kirchturm und Portal


Kleiner Mönch: Also unser Kirchturm früher sah ganz anders aus...

Maus: Klar, der hier ist erst unter dem ehrwürdigen Abt Placidus dem Zweiten errichtet worden. Aus schönstem Sandstein, der rot in der Abendsonne leuchtet. Seit 1722 ragt er in die Höhe... stolze 75 Meter! Manche sprechen gar von einem „Fingerzeig Gottes“.

Kleiner Mönch: So hoch war der vorangegangene Turm nicht. Und er hatte auch nicht so einen Vorbau.

Maus: Den Vorbau... also das rechteckige Portal vor dem Turm mit seinen Säulen... hat Abt Carolus Vogel 1773 an den Turm anfügen lassen. Das erkennst du übrigens am mittleren Feld über der hölzernen Tür. Da siehst du den gewundenen Hals eines Pelikans, der sich über seine Jungen beugt.

Kleiner Mönch: Ja, ich seh’ den. Ein Pelikan, das Symbol für Jesus Christus! Kleine gestorbene Pelikanküken werden wieder lebendig, wenn die Eltern sich drei Tage nach ihrem Tod die Brust aufpicken und ihr Blut auf die Küken träufeln. Das steht im Tierbuch vom Physiologus. – Wir hatten früher nur Hühner. Haltet ihr jetzt Pelikane in Schuttern?

Maus: Nein, das Wappen hat der Abt für sich ausgesucht, weil er Vogel hieß. – Aber weiter mit dem Kirchenportal! In dem Steinteil über der Holztür siehst du in dem rechten, runden Feld noch einmal einen Pelikan. Und im linken Feld das Klosterwappen, das gucken wir später genau an. Der Kopf darüber gehört dem Abt Vogel. Der durfte als Chef einer klösterlichen Gemeinschaft eine Mitra tragen, wie heute ein Bischof oder der heilige Nikolaus.

Kleiner Mönch: Bei den Figuren weiter oben komme ich selbst drauf. Die Frau in der Mitte mit dem Kind auf dem Arm muss die Muttergottes sein, die heilige Jungfrau Maria. Denn der ist die Kirche ja geweiht: „Mariae Himmelfahrt“ heißt sie. Etwas darunter sehe ich rechts von ihr einen Mann mit einer Krone und einer Kirche im Arm, und links auch. Das müssen Stifter der Kirche sein. Der eine ist logischerweise der legendäre angelsächsische Gründer des Klosters Schuttern, der König Offo. Aber der andere...?

Maus: Das ist der Kaiser Heinrich der Zweite, der dem Kloster zu früher Blüte verhalf.

Kleiner Mönch: Was, der? Der hat gar nix zur Blüte gebracht. Verraten hat uns der, sagt der Großonkel Abt, verraten und verkauft. Er hat das alte freie Reichskloster Schuttern 1016 dem neuen Bistum Bamberg geschenkt, obwohl die Schutterer Mönche dagegen waren. Vorher unterstand das Kloster nur dem König. Und hinterher war es ein abhängiges „Eigenkloster“ und der Bamberger Bischof hatte das Sagen.

Maus: Aber dieser Kaiser Heinrich hat dem Kloster viele Ländereien geschenkt – sogar ganze Dörfer.

Kleiner Mönch: Ja, weil er ein schlechtes Gewissen hatte, haben meine Mitbrüder immer gesagt. Wir sind ein Königskloster, haben sie gesagt, das älteste weit und breit. Ein König hat uns gegründet, Offo aus England. Deshalb wurde nach dem großen Brand von 1240 in der wiederaufgebauten romanischen Kirche ein Denkmal für Offo gebaut. Aber keins für Heinrich. – Wer hat den überhaupt da hingestellt?

Maus: Die Erbauer des Turms 1722. Die hatten wohl einen etwas anderen Blick auf die Geschichte als ihr im Mittelalter. – Weiter oben stehen am Turm zwei Benediktineräbte – Benedikt, nach dessen Regel die Schutterer Mönche lebten, und Pirmin, der vor 750 die Regel nach Schuttern brachte. Hast du an denen auch etwas auszusetzen?

Kleiner Mönch: Warum? Die sind voll in Ordnung. Von denen hat das Kloster ja nur Gutes bekommen.

Foto: © Historischer Verein Schuttern 603 e.V. / Gemeinde Friesenheim