Station: [26] Kirchenraum innen


Kleiner Mönch: Aber ... aber ... wie sieht es denn hier aus? Wo ist unser schöner Kirchenraum hin? Wir waren alle so stolz bei der Weihe 1283. Und jetzt...

Maus: Ja, hier sieht es wohl ziemlich anders aus als zu deinen Zeiten.

Kleiner Mönch: Nun ja... ich will sagen, nicht schlecht. Doch sehr... schlicht. Kahle Wände in weiß und grau... ein großer Raum mit hoher Decke...

Maus: Neo-Klassizismus.

Kleiner Mönch: Wie bitte? Neo-Klassizismus?

Maus: Neo-Klassizismus. So nennt man den Stil. Also wenn alles so klar und übersichtlich aussieht wie hier.

Kleiner Mönch: Also, zu meiner Zeit – zugegebenermaßen, das ist, wie Du sagst, fast 750 Jahre her – da war die Kirche in Abschnitte unterteilt. Genauso groß wie jetzt könnte sie schon gewesen sein ...

Maus: Stimmt, sie hat immer noch die Maße der romanischen Kirche...

Kleiner Mönch: ... aber da gab es einen Bereich für die Mönche und einen für die einfachen Gläubigen. Abgeteilt durch den Lettner. Der ging wie ein Sperrriegel durch die Kirche dort... warte mal... ja, dort, wo jetzt die Seitenarme beginnen.

Maus: Warum habt ihr eine Letter gemacht, da sieht man ja den Chor und den Hauptaltar gar nicht?

Kleiner Mönch: Lettner heißt das, mit ‚n’. Und man sah den Chor sehr wohl, im Lettner waren Bögen drin, wie große Fenster. Und er sah schön aus, es waren Figuren und Verzierungen dran. Aber klar konnte nicht jeder reinlatschen in den Chorbereich, da durften nur wir Mönche hin.

Maus: Aber konnten dann die einfachen Leute aus dem Dorf gar nicht zur Messe?

Kleiner Mönch: Doch, konnten sie, aber im Kirchenschiff eben. Hören, wie wir singen und beten – zum Lobe des Herrn – konnten sie da durch den Lettner sowieso. Und für die Predigt ist der Pfarrermönch über eine kleine Treppe auf den Lettner draufgestiegen, da war oben eine Kanzel dran. – Aber ich muss sagen, so ganz ohne Innenaufbauten, dass man nur die Wände sieht, also, das hat was ... Nur die Farben – alles weiß und blaugrau. Bei uns war das knitschebunt – die Wände und die Altäre, und die Figuren.

Maus: Die Barockkirche war auch bunt. Der ehrwürdiger Abt Carolus Vogel...

Kleiner Mönch: ... der mit dem Pelikan?

Maus: ... ja, der mit dem Pelikan! Der hat eure romanische Kirche abreißen lassen und dann an der gleichen Stelle eine ganz neue Kirche aufgebaut. Im Stil des Spätbarock.

Kleiner Mönch: Und wie sah das aus?

Maus: Also dir hätte das gefallen! Der Kirchenraum glänzte und strahlte mit verschiedenfarbigem Stein, mit Muscheln und Stuck und Wandbildern bis an die Decke, eine Augenweide mit Kringeln und Schnörkeln...

Kleiner Mönch: ... zum Lobe des Herrn.

Maus: Ja. Und zwischen den unteren und den oberen Fenstern, da umrundete eine halbhohe Galerie wie ein Riesenbalkon den gesamten Innenraum. So dass man dem Gottesdienst unten im Kirchenschiff oder oben auf der Galerie folgen konnte. Der ehrwürdige Abt hat nicht weniger als 14 Altäre bauen lassen, die überall im Kirchenraum standen, alle mit schönen Bildern.

Kleiner Mönch: So ähnlich war es nach 1283 in meiner romanischen Kirche auch schon. Wir hatten zehn Altäre, wenn ich es im Kopf richtig überschlage. Und das große Offograbmal, und jede Menge Figuren. Hier ist es schön hell, aber irgendwie kahl. Ich wollte, ich wäre wieder in meiner Zeit... früher.

Maus: Ach, lieber kleiner Mönch. Wir finden schon noch einen Weg, wie wir dich wieder in deine Zeit zurückgebeamt bekommen. Dann hast du aber was zu erzählen! Je genauer du hier alles anguckst, umso mehr. Fangen wir mit den Altären an. Ich glaube, der Hochaltar dort am anderen Ende der Kirche, der dürfte dir gefallen.

Kleiner Mönch: Meinst du?

Maus: Wir gehen einfach mal hin. Einmal längs durch die ganze Kirche.

Foto: © Historischer Verein Schuttern 603 e.V. / Gemeinde Friesenheim