Station: [9] Kopffragment


Maus: Guck mal, so soll dein legendärer Klostergründer ausgesehen haben. Die Ausgräber von 1972 haben gemeint, dass das ein Teil einer Grabplatte ist, die lang nach seinem Tod für Offo angefertigt wurde. So richtig viel erkennen kann man ja eigentlich nicht... nur den oberen Teil des Gesichts und die Haare. Aber sonst...

Kleiner Mönch: Das ist nicht Offo! Der war ein König, und Könige erkennt man an ihrer Krone.

Maus: Na ja, vielleicht stand ja auch irgendwo der Name dabei.

Kleiner Mönch: Für wen denn? Die meisten Leute können doch gar nicht lesen! Man soll sich immer klar ausdrücken, in Worten und in Bildern, sagt mein Magister Albertus. König? Krone drauf! – Mensch, der ein Kloster gestiftet hat? Hat im Arm ’ne kleine Kirche. – König Offo, der das Kloster Schuttern gestiftet hat? Mann mit Krone und Kirche im Arm vor der Muttergottes, denn das ist in Schuttern die Patronin, also die Heilige, nach der die Kirche heißt. Kannste sehen an der Figur beim Offomausoleum, das mein Großonkel, Abt Hermann Burner, hat bauen lassen.

Maus: Nix mehr kannste sehen. Die romanische Kirche ist 1767 abgerissen worden bis auf den Grund und eine neue Barockkirche ist drübergebaut worden. Und das Offomausoleum haben die Kenzinger und Endinger schon nach kaum zwanzig Jahre wieder kaputtgemacht ...

Kleiner Mönch: O weh! Warum denn?

Maus: Das weiß keiner.

Kleiner Mönch: Als das Kirchenschiff vor zwei Jahren – 1283 – innen endlich fertig war und neu geweiht worden ist, mit dem neuen Offograbmal und sechs neuen Altären, haben alle gesagt, die Schutterer Kirche sei die schönste weit und breit. Mein Großonkel Abt hat Steinmetze kommen lassen, die vorher am Straßburger Münster gearbeitet haben. Noch in tausend Jahren, hat er gesagt, werden die Steine unser Lob verkünden ...

Maus: Na ja, vielleicht hat er vergessen, dass die Kirche nicht zum Lobe des Erbauers da ist, sondern – das sagst du doch dauernd – zum Lobe des Herrn. Und die romanische Kirche hat fünfhundert Jahre lang gestanden, da kann man wirklich nicht meckern. Heute baut keiner mehr was, was fünfhundert Jahre lang hält.

Foto: © Historischer Verein Schuttern 603 e.V. / Gemeinde Friesenheim