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[1] Eisenbahnbrücke Oberlauchringen über die Wutach

Beschreibung

Eisenbahnbrücke Oberlauchringen über die Wutach

Die erste Brücke bestand von 1860 bis 1909 und war als Parallelträgerbrücke konstruiert worden. Die Planung und Bauleitung unterstand Robert Gerwig (1820 – 1885), der unter anderem als genialer Erbauer und badischer Eisenbahnpionier der Schwarzwaldbahn von Hausach nach Villingen und der ersten heute noch komplett existierenden und nach wie vor bahnmäßig genutzten Eisenbahnbrücke über den Rhein zwischen Waldshut und Koblenz/CH (1856) gilt.

Bereits 1859 wurde ein Bauvertrag zwischen der Badischen Staatsbahn und der Gemeinde Oberlauchringen geschlossen.
1860 begann man mit dem Bau der Brücke. Die erste Brücke wurde aus Puddeleisen (Schmiedeeisen) in parallelgurtiger Fachwerkträgerbauweise und genietet zusammengefügt. Diese lag aufgrund der zur Wutach leicht schrägen Querung der Hochrheinbahnstrecke in einem Fünfzehngradwinkel auf den Widerlagern aus Buntsandstein und leicht trapezförmig konstruiert auf. Die Auflieger am Brückenlager waren in den Anfängen noch mit einer Verblendungsmauer eingefasst. Zur Montage der Brücke wurde ein hölzernes Leergerüst errichtet. Beide Brückenwiderlager hatten eine tunnelartige Durchfahrt für den Landwirtschaftsverkehr und waren ursprünglich für eine zweigleisige Streckenführung gebaut worden. Zum Bau eines zweiten Gleises und somit einer Zwillingsstahlgitterbrücke ist es jedoch nie gekommen.

Bereits ein halbes Jahr vor der offiziellen Eröffnung, am 18. Dezember 1862, fuhr der erste Probezug erfolgreich über die neu erbaute Bahnstrecke und die fertiggestellte Brücke, die damit auch einer Belastungsprobe unterzogen wurde. 
In einem kurzen Zeitungsartikel wurde damals im „Alb-Bote“ vermerkt: „Heute findet in Gegenwart des Herrn Baurath Gerwig auf der Eisenbahnlinie Waldshut – Constanz die erste technische Probefahrt statt.“ (Alb-Bote, 19. Dezember 1862). Die Widerlager wurden mit Erinnerungssteinen mit der Jahreszahl „1862“ versehen. Solch einen Stein hat die Gemeinde Lauchringen nun als Denkmal hier aufgestellt.

Bei der offiziellen Streckeneröffnung am 15. Juli 1863 machte der Eröffnungssonderzug mit dem Großherzog Friedrich von Baden nebst Gattin und zahlreichen Ehrengästen „(…). Zwischen Oberlauchringen und Grießen 10 Minuten Aufenthalt zur Besichtigung der Eisenbahnbrücke über die Wutach (…)“ (Alb-Bote, 12. Juni 1863).

1909 wurde dem zunehmenden Verkehrsaufkommen mit immer schwerer werdenden Zügen mit einer neuen belastbareren Brücke Rechnung getragen. Dieses 55 Meter lange und 38 Meter weit gespannte Bauwerk wurde nun als Trapezgitterbrücke aus Stahl ausgeführt, was eine bauliche Anpassung der Widerlager nach sich zog. Hierbei wurden die bisherigen Verblendungsmauern entfernt und beidseitig das jeweils letzte Fachwerkträgerfeld in einem Vierziggradwinkel zu den Widerlagern verjüngt. Die Brücke lagerte nun auf pyramidenförmigen Auflagern. Zur Montage der Brücke wurde ebenfalls vorab ein hölzernes Leergerüst aufgerichtet. Wie der Vorgängerbau war auch diese Brücke komplett genietet. 
Beide Weltkriege überstand die Brücke unbeschadet. Lediglich gegen Ende des zweiten Weltkrieges gab es einen Fliegerangriff auf das Lauchringer Bahnhofsgelände mit dem gescheiterten Versuch die Wutachbrücke zu zerstören. Nur am Brückenwiderlager zur Bahnhofsseite waren bis zum Brückenabbruch einzelne Granatsplitterspuren zu erkennen und das einstmals steinerne Geländer auf dem bahnhofseitigen Brückenwiderlager wurde infolge der Kriegsschäden durch ein Metallgeländer ersetzt.

Immer wieder wurden auch Hochwassermarkierungen am Brückenwiderlager angebracht. Unter anderem eine Farbmarkierung auf der Klettgauseite aus dem Jahr 1882 sowie an beiden Widerlagerseiten eine Bronzetafel mit Hinweis auf den 15. Februar 1990, als sowohl die Wutach wie auch die Bäche aus dem Klettgau weite Teile der Klettgaurinne überschwemmten und die Wutach zurückgestaut wurde. An diesen Tagen galt Katastrophenalarm und der Zugverkehr war stark beeinträchtigt beziehungsweise eingestellt. Dies war bis dato der höchste je gemessene und aufgezeichnete Wasserstand an der Eisenbahnbrücke.

Nach fast 120 Jahren wurde an der Brücke nun zunehmend Materialermüdung festgestellt. Längstens hat die Brücke ihre Lebensdauer überschritten. Eine Sanierung beziehungsweise ein Neubau der Brücke war also unumgänglich. Da die Bezuschussung der Sanierung von historischen Eisenbahnbrücken im Bundeshaushalt nicht vorgesehen war - ein Neubau hingegen schon - wurde von vornherein ein Neubau favorisiert. Dies wurde von Seiten der Infrastruktursparte der Deutschen Bahn (DB Netz AG) den Einwohnern von Lauchringen im Vorfeld auch mehrfach in öffentlichen Anhörungen kommuniziert.

2024 wurden dann direkt neben die 162 Jahre alten Widerlager beidseitig der Wutach neue Widerlager, allerdings nun nur für eine eingleisige Brücke, aus Beton gegossen. Nach Abriss der 116 Jahre alten Brücke und der alten Widerlager im August 2024 wurden die neuen jeweils 900 Tonnen schweren Widerlager per Hydraulikgleiter an die neue Position verschoben und dort auf dem neu gelegten Fundament verbaut. Mit zwei Schwerlastkränen wurde die neue Brücke dann auf die neuen Widerlager aufgesetzt. Das neue Bauwerk in Form eines Stahlstabbogens hat eine Schotterbettfahrbahn und reduziert somit den bisherigen Lärmpegel im Umland erheblich. Zudem überspannt die Brücke mit ihrem Eigengewicht von 380 Tonnen nun sowohl die Wutach wie auch die beidseitigen Wirtschaftswege und optimiert dadurch den Hochwasserabfluss der Wutach und die Durchfahrthöhe.

Am 26. August 2024, nach knapp drei Wochen Streckensperrung, fuhr frühmorgens der erste Zug nach Fahrplan in Richtung Erzingen über die neue Brücke.

Quelle: Dietmund Schwarz, Lauchringen