Aus der Geschichte des Friedländer Ringlokschuppens
Nur ein knappes Jahr, und zwar von 1949 bis 1950, wurden die einmaligen Lokbehandlungsanlagen der bekannten Mecklenburg-Pommerschen Schmalspurbahn (MPSB) in Friedland von der Deutschen Reichsbahn als selbständiges Bahnbetriebswerk geführt. Doch der 15ständige Ringlokschuppen für die einst größte deutsche 600-mm-Bahn des öffentlichen Verkehrs stellt bis heute ein bautechnisches Novum dar und ist durch eine wechselvolle Geschichte gekennzeichnet.
Zur Inbetriebnahme der Wirtschaftsbahn von Ferdinandshof nach Friedland nahm die Firma Schweder in Fiedland einen einfachen zweigleisigen und aus „Steinfachwerk“ errichteten Lokomotivschuppen in Betrieb. Er befand sich nordwestlich vom Empfangsgebäude an der späteren Strecke in Richtung Jarmen auf der rechten Seite. Diese Baulichkeiten wurden von der MPSB übernommen, 1893 erweitert, so dass hier fortan acht Lokomotiven abgestellt werden konnten. In einem um 1900 hergestellten Anbau residierte die Stellmacherei der Hauptwerkstatt, deren Hauptgebäude sich jedoch weiter südlich befanden, und zwar an den Gleisanlagen der Neubrandenburg-Friedländer Eisenbahn. 1893 ließ die MPSB vor dem Lokomotivschuppen eine Drehscheibe mit einem Durchmesser von 10 m installieren. Dadurch war es möglich, die mit einem fest gekuppelten Tender ausgestatteten Lokomotiven zu drehen.
Durch die ständige Inbetriebnahme weiterer Lokomotiven sollten damals die überaus knapp bemessenen Behandlungsanlagen durch einen Neubau erweitert werden. Doch gelang es zunächst nicht, das dafür erforderliche Grundstück für einen akzeptablen Preis zu erhalten.
Schließlich konnte die MPSB 1909 ein entsprechendes Grundstück westlich vom vorhandenen Lokschuppen kaufen. Gleich danach wurde der bei der MPSB tätige Bahnmeisteraspirant Eichelbaum beauftragt, einen großzügigen Ringlokschuppen zu entwerfen, in dem 15 Stände zu berücksichtigen waren. Mit der Vorbereitung des Neubaus hatte man also keine Fremdfirma beauftragt, sondern auf die Fähigkeiten des eigenen Personals vertraut - eine damals bei größeren Eisenbahnunternehmen häufig praktizierte - und in jener Zeit durchaus kostengünstige - Möglichkeit.
Die Entwurfszeichnung des jungen MPSB-Angestellten entsprach den Vorstellungen der Betriebsleitung, und so wurde der Bau des Schuppens unter Leitung von Eichelbaum genehmigt, zu Beginn des Jahres 1910 begonnen und schließlich im gleichen Jahr abgeschlossen. Das Gebäude erhielt ein Fundament aus Feldsteinen, die Wände bestanden aus Mauersteinen. Eine technische Besonderheit für damalige Verhältnisse stellte das aus einem Stück hergestellte und an den Enden leicht gewölbte und mit Dachpappe geschützte Spannbetondach dar. Dabei handelte es sich un eines der ersten Dächer, die im Großherzogtum Mecklenburg-Strelitz in dieser Bauweise entstanden waren.
Für 22 Lokstände vorgesehen
Noch rechtzeitig zur Rübenkampagne 1910 konnte der Ringlokschuppen in Betrieb genommen werden, wobei zunächst die alte Drehscheibe vor dem alten Schuppen entfernt und vor dem neuen aufgebaut wurde. Der Lokschuppen wurde so angelegt, daß die für Sozial- und Werkstatträume genutzten Flächen bei Bedarf für die Einrichtung weiterer sieben Lokstände umgebaut werden konnten, was jedoch nie geschah.
Der alte Lokschuppen wurde nun gänzlich von der Hauptwerkstatt genutzt. Hier fanden neben der bereits vorhandenen Stellmacherei eine Kesselschmied, eine Lackierwerkstatt und ein großer Lagerraum Platz. Mitte der zwanziger Jahre konnten die Lokbehandlungsanlagen erweitert bzw. modernisiert werden. 1922 wurde ein von der Friedländer Baufirma Krüger und Deubert südlich vom Ringlokschuppen erbauter und rund 10 Meter hoher Wasserturm fertiggestellt, der zur Aufbereitung des Kesselspeisewassers diente. 1924 ersetzte man schließlich die mit Hilfe von Holzknüppeln bediente Drehscheibe durch einen Neubau. Der Drehmechanismus bestand aus einem Zahnradgetriebe, das mit einer Handkurbel bedient werden konnte. Zum Ringlokschuppen existierten bis 1969 zwei Zuführungsgleise, wobei sich an einem der aus Beton bestehende und 1937/38 letztmalig erneuerte Kohlebansen befand. Auf dem rechten Gleis konnten die Lokomotiven entschlackt werden
In aller Regel waren ab den dreißiger Jahren in Friedland durchschnittlich 20 Lokomotiven beheimatet. Da sich ein Teil der Maschinen stets außerhalb der Rübenkampagne in der Hauptwerkstatt zu Fristuntersuchungen befand und zudem zur Lokstation Friedland die Lokschuppen in Ferdinandshof, in Uhlenhorst (bis 1934 genutzt) und ab 1926 in Groß Daberkow (nur im Herbst benötigt) gehörten, reichten die 15 Lokstände im Friedländer Ringlokschuppen aus. Hier wurden die Lokomotiven nicht nur ausgewaschen, sondern in Absprache mit der benachbarten Hauptwerkstatt auch kleinere Reparaturen ausgeführt. Nach dem Abbau zahlreicher MPSB-Strecken und dem Abtransport von 20 der 27 vorhandenen Dampflokomotiven in den Jahren 1945 und 1946 waren im
Friedländer Lokomotivschuppen noch höchstens fünf Maschinen zur gleichen Zeit beheimatet.
Mit Übernahme der MPSB durch die Deutsche Reichsbahn am 1. April 1949 wurden Friedländer Lokbehandlungsanlagen der MPSB zum selbständigen Bahnbetriebswerk Friedland (Meckl.) erklärt. Doch diese recht großzügig gestaltete Dienststellenorganisation erwies sich recht schnell als unzweckmäßig, zumal die ehemalige MPSB nun schrittweise in die Leitungsstrukturen des Großunternehmens der Deutschen Reichsbahn integriert wurde. Während die für den Lokeinsatz vorhandenen Anlagen in Anklam mit den zunächst noch genutzten Lokschuppen in Ferdinandshof und Wegezin_Dennin dem Bw Pasewalk unterstellt wurden, löste man das Bw Friedland im Verlaufe des Jahres 1950 wieder auf und unterstellte es als Lokbahnhof dem Bahnbetriebswerk Neubrandenburg. Obwohl die Lokomotiven dieser 600-mm-Bahn zwei selbständigen Dienststellen angehörte, gab es zwischen den Lokbahnhöfen Anklam und Friedland eine enge Zusammenarbeit.
Sämtliche Revisionen an den Lokomotiven führte man bis 1949 in der Hauptwerkstatt Friedland aus. Bei normaler Beanspruchung war alle drei Jahre eine innere Untersuchung des Kessels fällig, bei der die gesamte Lokomotive instand gesetzt wurde. Den Anstrich erneuerte man bis 1949 nur alle 6 Jahre. Für eine Hauptuntersuchung waren durchschnittlich 1 200 Arbeitsstunden erforderlich. Die Radreifen mußten in der Regel nach einer Laufleistung von 150 000 km erneuert werden.
Der 15ständige Ringlokschuppen in Friedland war bis zur Stillegung der MPSB-Reststrecke mit den dazugehörigen Lokbehandlungsanlagen noch vollständig betriebsfähig. Von 1962 bis 1969 waren hier jedoch nur noch drei Dampflokomotiven beheimatet. In den nicht zu lokdienstlichen Zwecken genutzten Ständen stellte man die Schneepflüge und den Hilfsgerätewagen ab und nutzte sie auch für kleinere Reparaturen an den Reisezug- Güterwagen unter Aufsicht eines zum Bahnbetriebswagenwerkes Neustrelitz gehörenden Wagenmeisters.
Die in Friedland beheimateten Lokomotiven gelangten grundsätzlich in ihre Heimatlokomotivbahnhöfe in Friedland und Anklam zurück. Die planmäßigen Züge kreuzten stets in Wegezin-Dennin. Hier übernahm die Friedländer Lok den Anklamer Zug, während die Anklamer Maschine den Friedländer Zug weiterführte. Lediglich Bedarfsgüterzüge wurden ohne Lokwechsel von Anklam nach Friedland und zurück gefahren.
Mit der Stillegung der MPSB-Reststrecke am 27. September 1969 konnte der Lokbahnhof Friedland aufgelöst werden. 1970 wurden die dazugehörigen Gleisanlagen und die Drehscheibe verschrottet. Der Ringlokschuppen existiert noch heute. Ihn nutzte die Stadt Friedland bis 1990 zur Unterstellung von Technik für die Zivilverteidigung. In den einstigen Lokomotivständen waren nunmehr Gulaschkanonen und kleine Lastkraftwagen untergebracht.
Einige der alten Schuppentüren wurden Mitte der sechziger Jahre mit Blech verkleidet. Das ansonsten nach 1969 nicht mehr unterhaltene Gebäude ist nunmehr völlig dem Verfall preisgegeben. Die zuständige Immobilienverwaltung der Deutschen Bahn in Greifswald würde das Bauwerk gerne vermieten, aber bislang hat sich kein Interessent gefunden. Während Teile der früheren Hauptwerkstatt 1994 unter Denkmalschutz gestellt worden sind, war dies zu diesem Zeitpunkt für den Ringlokschuppen trotz seiner einmaligen Dachkonstruktion und sonstigen technischen Besonderheiten nicht vorgesehen. 1994 wurden Teile der früheren Hauptwerkstatt unter Denkmalschutz gestellt. Inzwischen steht auch der Ringlokschuppen mit seiner einmaligen Dachkonstruktion und seinen sonstigen technischen Besonderheiten unter Denkmalschutz.
Die Mecklenburg-Pommerschen Schmalspurbahnfreunde e. V. bemühen sich um eine Übernahme des ehemaligen MPSB-Geländes von der Deutschen Bahn AG, um die Gebäude zu erhalten und langfristig ein Freilichtmuseum aufzubauen.
Wolf-Dietger Machel