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Blansingen - Schlössli

Blansingen - Schlössli
Foto: Museum in der ‘Alten Schule’ / Maren Siegmann.
Blansingen - Schlössli
Historische Fotographie, ca. 1925. Museum in der "Alten Schule’, Inv.-Nr. 1991/0217.
Stiftungsbrief von 1708
StifftungsBriefDemnach Wir, Magdalena Wilhelmina von Gottes Gnaden Markgrävin zu Baaden und Hachberg, Landgrävin zu Sausenberg, Grävin zu Sponnheim und Eberstein, Frau zu Rötteln, Badenweiler, Lahr und Mahlberg. Geborene Hertzogin zu Württemberg und Teckh, Grävin zu Mümpelgarth, Frau zu Heydenheimb. Gnädigst resolvirt und entschloßen, Unser in dem Dorff Blansingen Rötteler Herrschafth gelegen, Eygenthumbliches Hauß sambt aller Zubehördte, aus purer Gnad, vor jeweilige zwo arme hinterlaßene Pfarrers Wittiben zum Besitz und Genuss derselben zu widmen; alß beschiehet auch solches hirmit, und in Krafft dieses also und dergestalten, Wir widmen, ordnen und wollen, daß nemblich obgedachtes Unser Hauß und die darzu gehörige Güther jederzeit zwo solcher Pfarrer Wittiben welche deren bedürfftig und eigener Behausung ermangeln, Zeit ihres Lebens besitzen, nutzen und genießen, jedoch die, welche in gemeldtem Dorff Blansingen gesessen gewesen, den Vorzug vor einer andern haben solle. Thun auch wegen mehr besagten Hauses und Güther baulichen Standt und Conservierung halber, einen jeweiligen Pfarrer daselbsten die Obsicht darüber zu tragen, und diese offene Widdumbs-Verschreibung nach Abkommung des Dienstes oder Todtsfall von Ihme oder anderm, deme dieses fürkommbt, seinem Successori zuzustellen, ersuchen, damit also fortgefahren, und ob dieser unserer Gnädigsten Verordnung und Willen pünctlich und ohnabgewichen immer und ewig gehalten werde. Zu deren Bekräfftigung haben Wir Uns nicht allein eygenhändig unterschrieben, sondern auch Unser fürstlich Insigel hieran hängen lassen. So geschehen Basel den 13. Novembris Anno 1708. Magdalena Wilhelmina M.Z.B. Landesarchiv Baden-Württemberg, Generallandesarchiv Karlsruhe 21 Nr. 792 (13.11.1708). Permalink: http://www.landesarchiv-bw.de/plink/?f=4-1428075. Veröffentlichungs- + Vervielfältigungsrechte: Landesarchiv B-W.
Magdalena Wilhelmina von Württemberg
Die Markgräfin im Alter von ca. 30 Jahren. Wikimedia / File:Magdalena_Wilhelmine_of_Württemberg_-_Haus_Baden,_Salem.png
Blansingen - altes Pfarrhaus
Foto: Museum in der "Alten Schule" / Maren Siegmann.

Beschreibung

Das Schlössli in Blansingen

Alemannenstrasse 16: Wohnhaus zweigeschossig über hohem Kellersockel, einseitiges Halbwalmdach, halbhoher Anbau, 16./17. Jh. Wenig aufregend, die Angaben aus dem Verzeichnis der Baudenkmale von Efringen-Kirchen von 1998/99. Schon 1901 hatte man badische Baudenkmäler erfasst, hier liest man: "das alte Pfarrwittwenstift, überarbeiteter Bau des 15. bis 16. Jhs., mit ältern Mauerschlitzen".

Heute ist das Gebäude eher unauffällig. Die Besonderheiten sind ver- und umge-baut: schmale Mauerschlitze, alle Seiten abgeschrägt - ehemalige Schießscharten. Der Zugang im 1. Obergeschoss, nicht ebenerdig. Ein festes Haus, ein Wehrbau.

 


Das Pfarrwitwenstift

1708 macht die Markgräfin von Baden-Durlach, Magdalena Wilhelmina, geborene Herzogin von Württemberg, eine Stiftung. Wohnung und Unterhalt für jeweils 2 sonst ´obdachlose´ Pfarrwitwen, ein Haus in Blansingen. Eine Blansinger Witwe hat Vorrang vor einer anderen Bewerberin. Eine Stiftung für Immer und Ewig. 
 

Das Problem

Pfarrer sterben wie alle anderen Leute auch, und hinterlassen Frau und Kinder. Für uns selbstverständlich, und zeitlos. Ist es aber nicht - das Problem ist 1708 noch recht neu und ungelöst.

Katholische Priester schwören Zölibat. Reformierter Pfarrer heiraten.

Die katholische Praxis: anschaulich geschildert von der Gemeinde Kirchen, um 1490 herum. Neunundzwanzig Priester habe man in den letzten 40 Jahren gehabt, oft mit zugehöriger Jungfrau und einem Sack voll Kinder. Kirchengerät wird vom Priester gestohlen und versetzt, der Opferstock aufgebrochen, Sonder-Delikte mit Sonder-Bußgeld-Katalog erfunden, Messgewänder und Altartücher für Windeln zerschnitten. Ein Priester flieht bei Nacht-und-Nebel, seine unterernährten Kinder blieben da. Das geht aber die Kirchenverwaltung nichts an, Familie ist schließlich illegal.

Im reformierten Glauben dagegen soll der Pfarrer heiraten. Besonders gottgefällig sei das, und (selbstredend) soll das Pfarrer-Paar in Allem leuchtendes Vorbild für die gesamte Gemeinde sein. Ebenso selbstredend: für das Amt des Orts-Pfarrers möchte man die Besten der Besten - der Beruf "Pfarrer" muss attraktiv sein!

Nun sind aber die Pfarrstellen so ausgestattet, dass sie zwar zur Versorgung eines ledigen Priesters ausreichen, aber eben nicht für Pfarrer plus Frau plus stetig wachsende Kinderzahl. Pfarrers-Witwen und -Waisen sind nicht vorgesehen. Was soll mit ihnen geschehen?


Der Pfarrer ist tot ...

Das 16., 17., 18. Jahrhundert - richtig miese Zeiten. Kriege und Krankheiten grassieren. Gewalt beherrscht den Alltag. Das alles macht auch vor Pfarrern nicht halt.

1708 hat die Markgrafschaft Baden-Durlach ca. 47.000 Einwohner. Pfarrstellen / Pfarrer ungefähr 150. Hinterlassene Witwen vom vorherigen, vorvorherigen, vorvorvorherigen Amtsinhaber ca. 62. Das ist jedenfalls der Durchschnittswert der Jahre 1749 bis 1801.


Die Witwe

Ein Schuster heiratet. Das Schusterskind (männlein wie weiblein) ist von Geburt an mit dabei. Heiratet ein Schuster-Meister eine Schusters-Tochter, hat er sofort eine voll einsatzfähige Handwerkerin im Betrieb. Egal, ob Mittelalter oder 18. Jahrhundert: Handwerk wird zuhause gelernt, von Kindheit an. Handwerksbetriebe und Bauernhöfe sind Familienbetriebe. Beide Partner beherrschen das Geschäft, beide Partner arbeiten Hand in Hand. Auch Tagelöhner-Paare wirtschaften so: er schneidet das Korn, sie bindet die Garben; er setzt Stein auf Stein, sie mischt und schleppt den Mörtel.

Stirbt der Schuster-Meister, kann sie den Betrieb weiterführen. Entweder alleine, oder sie stellt einen Gesellen ein. Läuft der Betrieb gut, ist gar Vermögen da, werden Gesellen Schlange stehen: wer die Witwe heiratet, kann Meister werden.

Die Ausbildung des Pfarrers - Lehrers, Juristen, Verwaltungsfachmanns - verläuft um 1700 anders: Schule, Universität, Dienststelle. Aushäusig, anderswo. Keine Pfarrerswitwe könnte / dürfte das Amt des verstorbenen Mannes übernehmen und weiterführen. Auch wenn sie es besser könnte, als der Herr Pfarrer selbst. Dabei bringt die Witwe im Normalfall umfangreiche Qualifikationen mit: große Sachkompetenz in Haushaltsführung unter widrigen Umständen und im Umgang mit Menschen. Egal, ob Lebensmittel oder Textilien: ohne deren Produktion, Verarbeitung, Erhaltung geht nichts, ihre Arbeit ist im wahrsten Sinn des Wortes Gold wert. Doch egal, wie gut sie ist: nach dem Tod des Mannes heißt es ´Eene meene muh, und raus bist du´.

Eine zweite Ehe? Schwierig - zwar ist Haushaltsführung eine wichtige Kompetenz, aber die allermeisten Witwer heiraten entweder eine junge Frau (mit Mitgift), oder ganz pragmatisch eine schon im Haus arbeitende Magd (da weiß Mann, was er hat).

Fürst und Obrigkeit erwarten, dass die Pfarrers-Witwe sich und die Kinder alleine durchbringt. Mit Spinnen zum Beispiel, oder Spitzenklöppeln. Oder bei Verwandten unterkommt. Es dauert, bis bemerkt wird: es funktioniert nicht, es gibt keine Arbeitsfelder, keine Tätigkeiten, keine Berufe für diese Frauen. Sie können das notwendige Geld nicht erwirtschaften. Als Magd beim Bauern, ins Armenhaus, betteln gehen ... Wenig förderlich, um den Beruf des Pfarrers für Nachwuchs attraktiv zu machen.

Lösung mancherorts: der neue Pfarrer muß die Schon-Da-Pfarr-Witwe heiraten. Lösung mancherorts: der neue Pfarrer teilt seine Einkünfte mit der Vorgänger-Familie. Lösung mancherorts: die Gemeinde unterhält ein Witwenhaus zusätzlich zum Pfarrhaus, mit Garten, Acker, Brennholzgaben.

In diese Richtung geht die Stiftung von Magdalena Wilhelmina. Aber eben nur für zwei Frauen, ein Tropfen auf dem heißen Stein.


Pfarrer in Blansingen

B.O. Schweigerer, P. Satrapa, J. Lind, I. Gelthuser, W. Meyer, M. Erich, J. Peselius, G.J. Gebhard, M. Dreuttel, M. Ludin. Pfarrer in Blansigen von 1556 bis 1664. Meyer und Erich sterben 1620 bzw. 1634 in Blansingen, beide zweimal verheiratet. Die Witwe von P. Satrapa heiratet einen Pfarrer. Von den meisten Pfarrers-Frauen erfahren wir nicht, wann sie starben, und/oder was nach dem Tod des Mannes mit ihnen geschah ... Die Frauen haben Kirchenhistoriker vergangener Tage nicht interessiert, und das (noch) einschlägige biographische Nachschlagewerk ist von 1934. (Ein aktuelles Pfarrerbuch für Baden-Durlach ist seit 2021 in Druckvorbereitung).

1664 kommt Johann Spieß nach Blansingen. Bis 1688 ist er am Ort tätig, stirbt am 18.12. mit 63 Jahren. 35 Jahre dauert die Ehe mit seiner ersten Frau, Maria Hagin aus Straßburg. Er heiratet 1683 die Witwe Magdalena Schmidt - und ist nach nur vier Tage wieder Witwer. 1685 heiratet er erneut, Dorothea Maria Mauritzin, die Witwe des Pfarrers A.L. Cron in Eimeldingen.

1688 kommt Carl Lembke nach Blansingen. Zuvor in Durlach, ein Theologe. Er sei verhaßt in Blansingen, weil streng und ernst, und er fühle sich im abgelegenen Pfarrhaus seines Lebens nicht sicher. Auch Lembke hat Familie - dürftig und armselig, kaum das trocken Brot gäbe es, und für Lehrgeld, gar Schulgeld für die Ausbildung seiner Söhne reicht es nicht. Seine Bibliothek, seine Bücher, vom Vater geerbt, existiert nicht mehr - sie ist, wie so vieles andere, ein Raub der Kriege geworden. Die Klage stammt aus dem Jahr 1697. 1707 ist Lembke zurück in Durlach, als Stadtdiakon.
 

Krieg !

Kriege am südlichen Oberrhein - eigentlich das gesamte 17. und 18. Jahrhundert, einer nach dem anderen. Dreißigjähriger Krieg, Pfälzer Erbfolgekrieg, Holländischer Krieg, Spanischer Erbfolgekrieg, Polnischer Erbfolgekrieg, überhaupt Franzosenkriege, die Türken vor Wien, und Krisen und Querelen ohne Ende. Dabei haben die Leute hier Glück: wenn es Ernst wird, können sich die meisten Dörfler nach Basel retten, und dort vom Erlös ihrer Kirchenglocken leben.

Nicht nur Dörfler retten sich nach Basel - auch die markgräfliche Familie tut das. Nicht zum ersten Mal, man hat hier Häuser. 1688 bezieht die Familie ihr Exil-Quartier, nach über einem Jahr Vorbereitung, mit über 200 Kisten voll wertvollem Fluchtgut, für 10 Jahre. 1688 war der spätere Markgraf (und Ehemann Magdalena Wilhelminas) Karl Wilhelm 9 Jahr alt. In Durlach hatte sein erster Hauslehrer, der junge Theologe Carl Lembke, mit seiner Ausbildung zum Herrscher begonnen, und mit elf Jahren geht Karl Wilhelm auf Bildungs-Reise quer durch Europa. 1694/95 ist er wieder da, und heiratet 1697 (in Basel) Magdalena Wilhelmina, Tochter des Herzogs von Württemberg. 1709 stirbt Karl Wilhelms Vater, jetzt ist Karl Wilhelm der Markgraf. Von einem zerstörten Land.
 

Blansingen-Connection

Carl Lembke. Ja, ´unser´ Blansinger Pfarrer war Karl Wilhelms Hauslehrer. Haben Schüler und Lehrer Kontakt gehalten? Hatte der Lehrer in späteren Zeiten Zugang zum Schüler? Vielleicht. Lemkbe streitet mit dem Kollegen aus Istein (Katholik! Fürstbischöflich-Baslerisch!) um Einkünfte aus 12 Jucharten Wiesenland - ein Streit, der 1705 schon mehrere Jahrhunderte (!) währte. Lembke wendet sich an den markgräflichen Hof - wohl mit Erfolg. Hatte Lembke Kontakt mit/zu Magdalena Wilhelmina, nach 1707 und seiner Rückkehr nach Durlach? Würden wir gerne wissen ...

Beide - Pfarrer und Markgräfin - werden als streng und ernst beschrieben. Fromm und strenggläubig soll Magdalena Wilhelmina gewesen sein.

Viel erfährt man nicht über Magdalena Wilhelmina. Liebesgedichte hat sie geschrieben, als junge Frau, und sie komponierte Musik. Ihr Vater starb vor ihrer Geburt. Ihre Mutter (Magdalena Sibylle von Hessen-Darmstadt) war so fromm und strenggläubig, dass man ihr die älteren Kinder entzog und durch Dritte hat erziehen lassen. Hatte man ihr Magdalena Wilhelmina gelassen? Auch die Mutter Magdalena Sibylle hat sich um die Versorgung von Witwen gesorgt. Und: beide Frauen haben zeitweise als Regentinnen ihre Territorien verwaltet. Beide scheinen sich gut geschlagen zu haben. So wie viele Fürstinnen vor und nach ihnen - obwohl man nicht eine dieser Frauen für diese Aufgabe geschult hatte. Besser erforscht sind die Leistungen von Sibylla Augusta von Baden-Baden (der Witwe des Türken-Louis), die ein völlig verwüstetes Land wieder-bevölkerte und aufbaute. 
 

Witwen-Fiscus

Die Stiftungsidee - zwei Pfarrwitwen leben unter einem Dach - hat vermutlich nur bedingt funktioniert. Es menschelte. Details zu wissen, wäre schön. Wir haben vor allem Abrechnungen - Kaminfeger, Brennholz, Rebkosten, Zehrungskosten. Allerdings: im Generallandesarchiv Karlsruhe warten noch drei (vermutlich sehr dicke) Papierpacken darauf, ausgewertet zu werden.


Ein ganz anderes System war der 1719 von Karl Wilhelm initiierte Witwen-Fiscus. Jeder tätige Pfarrer zahlt pro 100 Gulden Einkommen in eine gemeinsame Kasse ein, 22 ½ Kreuzer pro Witwe. Ein Solidar-System - andernorts seit 1645 in Gebrauch. Jede Witwe sollte aus den Zinsen des sich aufhäufenden Kapitals 100 Gulden pro Jahr bekommen, und jeder Pfarrer den Beitrag für 6 Witwen leisten. Es gab Anlaufschwierigkeiten, gezahlt wurde nur für 4 Witwen, und jede Witwe erhielt jährlich nur 24 Gulden. Zu wenig für einen Lebensunterhalt; für Kinder war zudem kein zusätzliches Geld vorgesehen. Erst ab 1764 kann man (nach mehreren Umstrukturierungen und Kapitalaufstockungen) die ausbezahlten Beträge merklich erhöhen. Die 100 Gulden-Marke wird erst 1795 erreicht.

Selbstredend wird der Lebenswandel jeder Witwe kontrolliert - nur untadeligeste Moral, Ordnung und Arbeitsfleiß berechtigen zum Genuß des Geldes. Führungszeugnis des Beichtvaters ist dem Antrag beizulegen.


Eine Weiterentwicklung des Blansinger Pfarrwitwenstift-Modells stellt 1760 der Baden-Durlachische Hofrat Johann Jacob Reinhard vor. Stift, aber richtig: 25 Witwen, zusammenlebend in einem extra zu bauenden Haus (billiger als Umbau). "Eine jede von denenselben trüge jährliche vierzig fünf Gulden bei, ... brächte in das Haus zwei Tischtücher, deren ein jedes groß genug vor eine Tafel vor 25. Personen, 4. zinnene Teller, und zwei dergleichen Schüsselen; und erlegete anbei sechs Gulden in Gelde. Und wan sie stirbet, alsdan bliebe alles, so sie in dem Hause besessen hat, bei dem Stifte. Davor bekäme sie die Wohnung, das benöthigte Brenholz, das Frühstük, das Mittagessen, das Nachtessen, die Aufwartung, die Wasche, die Arznei, und endlich das Begräbnis." Kinder stören im Konzept, machen Lärm und Unruhe, schmutzen und essen unentwegt: nur kinderlose Frauen sollen Aufnahme finden. Der Tagesablauf genau geregelt, mit viel Gebet und viel Arbeit. Maulbeerbäume seien zu pflanzen, Seide sei zu produzieren, und über den Verkauf der Seide könnte sich das Unternehmen tragen oder gar Gewinn abwerfen.

Zeittypisch die Idee - es gibt viele vergleichbare Projekte; Arbeitshäuser, Zuchthäuser, Waisenhäuser. Auch in Baden-Durlach gab es so etwas, in Pforzheim, und ja, man hat zwar die Waisenkinder gewinnträchtigstmöglich als billige Arbeitskräfte ausgebeutet, Geld geheckt hat diese Anstalt aber nie. Auch diese Witwenkaserne - ein Zwitterding zwischen Zuchthaus und Kloster - wäre ziemlich sicher gescheitert.


Das Haus

Unser Pfarrwitwen-Haus wird vor 1813 verkauft und ist seitdem privat genutzt. Bis wann genau dort Pfarrwitwen lebten, ist nicht mit Sicherheit herauszubringen. Auch von zwei Kleinkemser Pfarrern heißt es, sie wären zeitweise hier untergebracht gewesen.


Wer hat das Haus gebaut, wer hat es vor der Markgräfin besessen? Wissen wir nicht, leider.

"Eine Behausung undt Hoffstatt sambt Scheüren ndt Trotten in alhiesigem Dorff. Einseits gegen Waldt am gemeinen platz, Anderseits gegen Rhein, an der Allmend. stoßt Landuff wieder an gemelter Allmendgassen, Landab an Caspar Krieg den jngen vndt Christian Kaÿser." Die ´Behausung´ verkaufte 1666 Witwe Enderlin dem Junker Georg Sigmund von Rotberg für 500 Gulden. Eine zeittypische Lagebeschreibung eines Grundstücks. Kann dieses Haus ´unser´ Schlössli sein? Wohl eher nicht ...

Blansingen 1708. Gar nicht SO lange her. Aber: wer wohnt wo, wer besitzt welches Haus, wer bewirtschaftet welchen Bauernhof - ein kompliziertes Puzzle, halbwegs lösbar mit viel Geduld anhand der zahlreichen Besitzverzeichnisse der zahlreichen Grundbesitzer im Ort.

Grundbesitzer. Viele Klöster besaßen hier einen Hof oder wenigstens ein Haus. Bewohnt und bewirtschaftet von Pächtern, oder von Eigenleuten. Die Klöster St. Georgen im Schwarzwald, St. Blasien, Bürgeln, Olsberg, Wettingen und St. Clara sind hier zu nennen, vielleicht auch Weitenau und das Basler Augustinerkloster. St. Georgen verkauft seinen Ackerhof 1464 an Rudolf IV. von Hochberg. Laut Ortschronik gehört der Ackerhof Mitte des 16. Jhs. dem Kloster Olsberg. Olsberg übergibt 1570 seinen gesamten Besitz an das Kloster Lützel, und Lützel verkauft 1733 an Baden. Im Besitz-Paket inklusive: mehrere Hofstätten und Häuser, anscheinend hat man hier nichts wieder verkauft. Ähnlich scheint es bei St. Blasien / Bürgeln zu sein. Die Besitztümer der Basler Klöster, Domstift etc. übernimmt nach Einführung der Reformation die Stadt Basel, und Basel scheint fest darauf zu hocken. Auf den Äckern, Wiesen, Reben und Waldungen zumindest. Anders Häuser und Hofstätten: diese werden ggf. veräußert.

Schießscharten. Zugang über das Obergeschoss. Die Museumsleitung hat zwei verschiedene Besitzer des Hauses über bauliche Besonderheiten ausquetschen können. Der jetzige neue Besitzer renoviert und hat schon jetzt einiges Neues zur Haus-Geschichte freigelegt. Man darf gespannt sein.

Mauerstärke. Anderswo - in Konstanz zum Beispiel - baut man in der Innenstadt ab ca. 1200 Turmhäuser mit 5 Stockwerken, Zugang im Obergeschoss, ursprünglich ohne Öffnungen im Erdgeschoss. Damit niemand irgendetwas Fieses hineinstecken kann (eine brennende Fackel und einen Ölkrug, zum Beispiel). Diese Häuser haben Mauerstärken von 2 bis 2,5 m. Das Schlössli ist etwas (aber eben nur etwas) weniger solide gebaut.

Solche Häuser baut der Adel (nur der Adel). In einer Zeit ohne große Kanonen und Geschütze - sprich, davor. Könnten wir irgendwelchen Hausbesitz in Blansingen finden, der aus Adelsbesitz stammt?

Walcho von Waldeck schenkt dem Kloster St. Blasien 1113 "die gut und hoff, die ich han" in allen möglichen Orten. Auch Hausbesitz in Blansingen? Nicht zu klären, leider.
Hugo von Schliengen, Bürger von Basel, besitzt 1347 ein Haus in und Güter rund um Blansingen. Dieser Hof landet später beim Kloster St. Clara.
Ottilia von Rötteln schenkt - vermutlich um ca. 1270-1280 - dem Kloster Istein ein Hofgut und Ländereien in Blansingen.
 

Von Blansingen

Blansingen hatte ein eigenes Adelsgeschlecht.

Hesso und Gerung von Blansingen. Brüder, ihre Mutter war Gisela von Backnang, begraben im Kloster Einsiedeln, die Brüder sorgten sich um ihr Seelenheil. Das war vor 1051 n. Chr. Hesso und Gerung gehören zu den Hessonen, einer hochadeligen Familie. Hesso ist/wird Graf von Backnang und im Sülchgau. Archäologen fanden vor einigen Jahren sein Grab in der Sülchenkirche (leer, leider). Ob Gerung in Blansigen blieb ? Wissen wir nicht. Vielleicht ein Sohn oder Enkel: Gerung von Blansingen, 1130 hochrangiger Zeuge in einem Streit um die Klöster St. Blasien und Bürgeln.

Zwischen 1169 und 1380 habe es, so heißt es, mehrere Edelknechte / Ritter / Adelige einer Familien "von Blansingen" gegeben. Aber: wenn normale Leute in einen anderen Ort ziehen, bekommen sie ihren Herkunftsort als Nachnamen verpasst. "Werner von Blansingen" bedeutet dann: Werner, aus Blansingen zugezogen. Alle diese späten ´Adeligen´ tauchen als Zeugen bei Rechtsgeschäften auf. Das ist gut, denn so läßt sich ihr Stand, ihr Sozialstatus prüfen. Aufgelistet wird streng hierarchisch: der wichtigste zuerst, der unwichtigste zuletzt. 1169 führt Heinrich von Largitzen die Zeugenliste an - er (und nur er) wird "Herr" genannt, ein Ehrentitel, aber nix besonderes. Ergo: die 12 Männer "von" Gupf, Blansingen, Riedlingen, Binzen, Uttnach und Efringen danach sind eben KEINE Herren. Und schon gar keine Ritter oder Edelknechte. Ehrenhaft, angesehen, ja. Adelig, nein. Ähnlich sieht es bei der Zeugenliste von 1223 aus: Blansinger zeugen NACH den Rittern und VOR Walter villicus/Meier. 1175 zeugt ein Werner aus Blansingen in Konstanz, 1293 ist ein Blansinger Pächter in Rheinweiler (zusammen mit B. Beltz und dem Sohn des Meiers) und 1380 kauft "Jacob von Blansingen der Weinmann, Bürger von Basel" ebendort ein Haus. Keiner dieser Werners, Konrads, Burkhards, Jakobs "von" Blansingen ist adelig.


Das Haus

Wo Hesso und Gerung um 1050 ihren Wohnsitz hatten - unbekannt. Verdächtig ist der "Schloßbuckel", vielleicht sprachlicher Rest einer kleinen sog. Motte (Erdhügel mit einem kleinen Holz-Turm oben drauf). Für Steinbauten mit Schießscharten etc. ist es 1050 zu früh.

War Hugo von Schliengen adelig? Kann sein, vielleicht auch nicht. 1369 hat ein Hugo von Schliengen der Ältere Besitz in Blansingen, ebenso 1372 ein HvSdÄ, Wechsler. Vermutlich ein und derselbe Hugo, Bankier/Geldverleiher, in Basel. Hugos Tochter Margaretha ist Klosterfrau, und vermutlich kam sein Haus über ihr Erbe an St. Clara.

Zweifellos adelig: Ottilia von Rötteln, Tochter des Dietrich von Rötteln, nach 1248 Vogt des Klosters Istein. Da kommt nur Dietrich V. von Rotenberg in Frage. 1278 macht der sein Testament, und von Kindern ist nicht die Rede - entweder ist Ottilia tot, oder Dietrich hat ihr das Erbteil schon ausbezahlt. Die Ortschronik Blansingen nennt ein "St. Alban-Gut, so Junker Wolf Sigmund von Rotberg besitzt", wohl nach einer Urkunden-Abschrift aus der Leutrum´schen Handschrift. Falls dies korrekt wiedergegeben ist: dies könnte Ottilias Geschenk sein. Das Kloster Istein gehörte zu St. Alban, im 15. Jh. gingen dessen Güter an St. Alban über. St. Alban selbst hatte in Blansingen keinen Hausbesitz.

Ottilia von Rötteln, Kloster Istein, Kloster St. Alban, Wolf Sigmund von Rotberg. Dieser geboren nach 1561, gestorben 1590/91, Herr zu Bamlach und Rheinweiler. WENN dies die Vorbesitzer des Schlösslis waren - dann könnten Teile des Hauses sehr viel älter sein als gedacht.


Die Museumsleitung bleibt dran. 
Und ist für fundierte Hinweise dankbar!
 

(Text: Museum in der ‘Alten Schule’ / Dr. Maren Siegmann / 2025)