Hier hätte es gewesen sein sollen - das erste deutsche Arbeitermuseum! In das Chänzeli, eines der Hingucker-Häuser in Istein, sollte das Rheinmuseum Istein einziehen.
Das Rheinmuseum. 1928/29 machen der Touristenverein "Die Naturfreunde", Gau Baden, und das badische Ministerium Kultus für Kultus und Unterricht Nägel mit Köpfen: man beschließt eine Satzung für das Rheinmuseum in Istein. Die Naturfreunde sind Träger der Sammlung, Hermann Rudy ist Kurator des Museums, das Museum befindet sich in der Obhut der Gemeinde Istein. Anfang Juni 1929 ist Eröffnung - das Museum mit seiner Sammlung zu Geologie, Fauna und Flora, Archäologie, Geschichte und Brauchtum kommt gut an.
Auch der Staat Baden hilft und stellt einen Raum im von Freystedt´schen Schlösschen zur Verfügung und leiht Ausstellungsstücke aus. Auf Veranlassung von Hermann Rudy kauft Baden zwei Goldmünzen aus keltischer Zeit - letzter Rest eines größeren Münzschatz-Fundes wohl in/bei/um Fischingen entdeckt, im Kunsthandel versickert.
Rudy, Vollblut-Naturwissenschaftler, hat unter anderem in Moskau studiert. Und: er geht vehement gegen Raubgräber vor und gegen Leute, die gegen Naturschutz-Auflagen verstoßen. Denn: der Isteiner Klotz ist offizielles Naturschutzgebiet, und das Pflücken von Orchideen ist 1929 ebenso verboten wie heute. Auch Vertreter der Universität Freiburg und Freiburger Studenten haben nach Rudy´s Ansicht für derlei Verstöße keinen Freibrief, und so macht sich Rudy sehr schnell unbeliebt.
1933 - Machtübernahme der Nationalsozialisten. Alle kommunistischen Sport- und Kulturvereine werden am 31.03.1933 aufgelöst, ihr Besitz wird enteignet. Das trifft auch die Naturfreunde, und das trifft auch die Sammlung des Rheinmuseums. Die Sammlung ist nun (eigentlich) in Staatsbesitz, doch der Staat interessiert sich nicht dafür. Die Sammlung wird im Keller des Isteiner Schulhauses eingelagert, mögliche Ausstellungsräume dort hatte die HJ vereinnahmt.
Kurz zuvor hatte man in Istein nach einem (besseren) Ausstellungs-Lokal gesucht. Das Chänzeli stand zum Verkauf. Ob und wie weit die Verhandlungen zum Kauf des Gebäudes 1932/33 gediehen waren - hierzu gibt es widersprüchliche Angaben. Anscheinend war der Kauf noch nicht ganz zu Ende geführt, so zumindest die Aussage eines Anwalts in den 1960er-Jahren.
1935 sind die keltischen Goldmünzen verschwunden. Gestohlen. Aus der Isteiner Gemeinde-Kasse. Kurzzeitig fliegen die Fetzen, dann das Ende des Museums: die Bestände werden 1937 verteilt und in alle Winde verstreut. 1949/50 versuchen die wieder-erstandenen Naturfreunde, die Objekte der Sammlung wieder zu finden. Doch alle Versuche laufen ins Leere: niemand in keiner Gemeinde weiß etwas, kein Museum hat etwas. Nur zwei Bilder werden gefunden, im Landratsamt Lörrach.
Noch 1960 beschäftigt die Enteignung, die Sammlung und die Schadensersatzansprüche ein ganzes Rudel Anwälte.
Inzwischen sind einige Stücke aus der ehemaligen Sammlung des Rheinmuseums wieder aufgetaucht. Im Museum Lörrach zum Beispiel. Hierhin hatte man auch (alle? einige?) archäologische Funde abgegeben; diese hat das Lörracher Museum vor ca. 30 Jahren dem Archäologischen Zentralarchiv Rastatt übergeben. Nur kleine beiliegenden und angehängten Zettelchen beweisen die Herkunft dieser Stücke.
Provenienz-Forschung. Dieser Begriff taucht seit viele Jahren immer mal wieder in den Medien auf - normalerweise im Zusammenhang mit von den Nationalsozialisten geraubten Kunstschätzen aus vorher jüdischem Besitz. Aber eben auch alle anderen Opfergruppen wurden beraubt, und auch alle anderen Opfergruppen hatten und haben hart und meist vergeblich für die Rückgabe ihrer Dinge zu kämpfen. Auch kommunistische Vereine.
Schon die Trägerschaft durch einen kommunistischen Verein macht das Rheinmuseum Istein zu einer Besonderheit. Tatsächlich ist eine Provenienzforscherin bei ihrer Arbeit in verschiedenen Museen über 4000 Objekte aus dem ehemaligen Rheinmuseum gestoßen (Stand 2015). Nur: die Naturfreunde haben davon nichts erfahren.
Dem Rheinmuseum und seiner besonderen Geschichte haben die Naturfreunde 1989 eine Sonderausstellung gewidmet. Zu dieser Zeit mußten so gut wie alle Sammlungsobjekte als verloren gelten.
(Text: Museum in der ´Alten Schule´ / Dr. Maren Siegmann / 2025)





























































































